Montag, 20. April 2009

Consulta- Sprechstunde und das spanische Gesundheitssystem

Heute war ich mit einem sehr netten Arzt in der "Consulta", einer Art Sprechstunde. Da das Krankenhaus noch sehr neu ist läuft die Sprechstunde noch etwas ungeordnet hinsichtlich der betreuten Krankheitsbilder ab. Obwohl ich eigentlich in der Leber- Gallen- Bauchspeicheldrüsen- Sprechstunde eingeteilt war habe ich eigentlich nur Leistenhernien, Krampfadern, Fisteln und Nachbetreuungen von Darmkrebspatienten gesehen, was aber auch sehr interessant war. Die Sprechstunden sind Montag bis Freitag von 9- 13/15h (je nach Patientenaufkommen) und man kann es sich wie in einer Arztpraxis vorstellen.

Kurzfassung:
Das Gesundheitssystem in Spanien entscheidet sich von unserem System in Deutschland darin, dass es prinzipiell staatlich ( auf Basis der Steuergelder) finanziert wird. Die erste Anlaufstelle ist im Normalfall das dem jeweiligen Bezirk zugeteilte "Centro de Salud". Dort befindet sich der "Médico de Cabecera" (Hausarzt), der den Patienten zu dem jeweiligen Spezialisten überweist (man kann sich nicht wie in Deutschland gleich einem Spezialisten zuwenden, es sei denn man zahlt aus eigener Tasche). Diese Spezialisten befinden sich üblicherweise in dem jeweiligen Gesundheitszentrum oder einem Krankenhaus in den "Consultas". Ein anderer Weg führt über die Notaufnahme "Urgencias" direkt zu den Spezialisten im Krankenhaus. Dort werden Behandlungspläne ausgestellt, über Operationen oder Weiterbehandlung entschieden.

Von den Ärzten im Krankenhaus hörte ich auch auf Grund der Wirtschaftskrise von einem "Ärztemangel", was wohl eher an der Anstellung und den vertraglichen Regelungen des Staat als an der Zahl der auszubildenden und ausgebildeten Mediziner liegen mag.


Etwas ausführlichere Version (Rheinisches Ärzteblatt 8/2005, Julia Bathelt)

Nach jahrzehntelanger Diktatur trat 1978 in Spanien eine neue Verfassung in Kraft, die auf einer parlamentarischen Monarchie basiert und in der das
Recht aller Spanier auf Gesundheitsversorgung verankert wurde.
Seit der Konstituierung dieser Verfassung wurde das spanische Gesundheitssystem immer wieder bedeutenden Veränderungen unterzogen.
Zu den wichtigsten Umgestaltungen gehören die Transformation eines sozialen Sicherungssystems in ein Nationales Gesundheitssystem (1986) sowie die Dezentralisierung des Gesundheitssystems. Durch diesen Schritt wurde die Verantwortung von einer zentralen Verwaltung auf die 17 Regionen übertragen. Die Zuständigkeiten auf der zentralen und regionalen Ebene sind folgendermaßen verteilt:

Nationales Gesundheitsinstitut
Das Gesundheitsministerium ist verantwortlich für die Entwicklung der Gesundheitspolitik und koordiniert die öffentlichen Gesundheitsdienste. Ihm direkt unterstellt ist das Nationale Gesundheitsinstitut INSALUD. Zu den weiteren Aufgaben gehören die Regelung der ärztlichen
Weiterbildung (gemeinsam mit dem Bildungsministerium), die Arzneimittelpolitik und die Standardisierung von medizinischen Produkten. Das Ministerium für Arbeit und Soziales legt die Finanzstruktur des sozialen Sicherungssystems sowie den Katalog der Gesundheitsleistungen
fest. Die regionalen Regierungen haben die Planungshoheit inne und verfügen über die Kapazitäten, um ihre eigenen Gesundheitsdienste zu organisieren. Allerdings haben bislang lediglich sieben Regionen sämtliche Kompetenzen erhalten, in den anderen zehn Regionen verwaltet das INSALUD nach wie vor einen Großteil der Gesundheitsdienste. Die Lokalregierungen haben seit der Dezentralisierung an Bedeutung verloren, da die meisten Kompetenzen auf die Regionen übertragen wurden.
Finanzierung aus Steuermitteln
Das spanische Gesundheitswesen wird beinahe zu 100 Prozent aus Steuermitteln finanziert. Die Steuern werden überwiegend zentral erhoben, da die regionalen und lokalen Regierungen nur eine begrenzte fiskalische Autonomie besitzen.Der nicht einheitliche Dezentralisierungsprozess
hat den Weg für ein fragmentarisches Finanzierungssystem frei gemacht und dazu geführt, dass es signifikante Probleme bei der Kontrolle der Gesundheitsausgaben gibt. Allerdings liegt Spanien bei den Gesundheitsausgaben mit 7,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes
noch immer unter dem OECD-Durchschnitt [Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD, en.: Organisation for Economic Co-operation and Development)] von 8,4 Prozent (2001). Während der 90er Jahre hat es einen überdurchschnittlichen Ausgabenzuwachs bei den Arzneimitteln gegeben. Das spanische Gesundheitssystem kennt weder im ambulanten noch im stationären Bereich Selbstbeteiligungen – allerdings
nur, wenn die Arztbehandlung in einem öffentlichen Gesundheitszentrum oder im Rahmen der nationalen Gesundheitsorganisation stattfindet. Der Anteil an den Gesundheitsausgaben, den die Spanier aus der eigenen Tasche bezahlen, lag 2002 bei 16,9 Prozent.
Nahezu die gesamte spanische Bevölkerung (knapp 95 Prozent) wird durch das Nationale Gesundheitssystem versorgt. Lediglich Freiberufler und Selbstständige sind nicht durch den Nationalen Gesundheitsdienst abgesichert. Aus diesem Grund spielen Krankenversicherungen
in Spanien kaum eine Rolle. Nur etwa 10 Prozent sind freiwillig privat versichert. Zudem gibt es wenige staatlich geförderte Fonds exklusiv für Beamte und deren Angehörige, die frei zwischen
privater oder öffentlicher Vorsorge wählen können. Der erste Kontakt der Bevölkerung mit dem Gesundheitssystem findet beim Allgemeinarzt statt, der eine Lotsenfunktion innehat. Jeder
Spanier muss sich bei einem Arzt einschreiben, den er nur mit spezieller Begründung wechseln kann.Um kostenlos einen Facharzt oder ein Krankenhaus aufsuchen zu können, ist – mit Ausnahme von Notfällen – eine Überweisung durch den Hausarzt notwendig.

Gesundheitszentren
Die ambulante ärztliche Versorgung wird zum größten Teil in Gesundheitszentren
erbracht, in denen in der Regel Allgemein- und Fachärzte, Pflegekräfte und zum Teil auch Kinderärzte tätig sind. Die Größe dieser Zentren variiert stark: Das Einzugsgebiet kann von 5.000 bis zu 25.000 Personen reichen. Auch die fachärztliche Versorgung findet vielfach in den Gesundheitszentren statt. Daneben gibt es auch frei niedergelassene Spezialisten, die Verträge
mit dem Nationalen Gesundheitsinstitut abgeschlossen haben, sowie Fachärzte, die in den Klinikambulanzen tätig sind. Obwohl es nach wie vor an der Infrastruktur bei der Primärversorgung mangelt, steigt die Zufriedenheit der Spanier mit ihrem Gesundheitssystem – mit beträchtlichen Unterschieden zwischen den Regionen.
Etwa die Hälfte der Krankenhausbetten steht in eigenen Häusern des INSALUD, die andere Hälfte in Vertragskliniken. Für die Planung sind die Regionen verantwortlich. Sucht ein Patient eine Privatklinik oder einen Privatarzt auf, so muss er dies vollständig aus eigener
Tasche bezahlen. Einen Rückerstattungsanspruch gibt es nicht. Zu den größten Problemen des Krankenhaussektors gehören Koordinationsschwierigkeiten mit den ambulanten Gesundheitszentren, Wartelisten und Überbelegungen der Krankenzimmer.
Über 90 Prozent der spanischen Ärzte sind im staatlichen Gesundheitsdienst tätig. Die in den Gesundheitszentren beschäftigten Ärzte werden nach der Anzahl der eingeschriebenen Patienten bezahlt.Viele betreiben nebenbei noch eine Privatpraxis. Die Krankenhausärzte erhalten fixe Gehälter, die in Ambulanzen zum Teil durch Kopfpauschalen pro behandeltem
Patienten ergänzt werden.
Bezahlung nach Einzelleistungen
Frei niedergelassene Vertragsärzte werden nach Einzelleistungen bezahlt. Nur 60 Prozent der spanischen Ärzte haben feste und unkündbare Arbeitsverträge. Die anderen 40 Prozent haben Zeitverträge abgeschlossen, die zwischen einem Tag und einigen Monaten variieren können.
Ärzte, die in Gesundheitszentren arbeiten, haben offiziell eine 37-Stunden-Woche, die Realität sieht oft jedoch ganz anders aus: Die Zeit, die pro Patient veranschlagt ist, reicht häufig nicht aus, und Hausbesuche nehmen viel Zeit in Anspruch. Hinzu kommt, dass die Gesundheitsbehörden oftmals keine Vertretungskräfte einsetzen, wenn Ärzte durch Urlaub oder Krankheit ausfallen. Dies führt zu Überstunden und wirkt sich negativ auf die Betreuung der Patienten aus. Die Berufsaussichten,Verdienstmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen sehen für junge Ärzte derzeit nicht gerade rosig aus: Die Arztdichte liegt mit 300 Einwohnern pro
Arzt relativ hoch. Zudem werden regelmäßig mehr Ärzte ausgebildet als benötigt. 2001 beendeten 15 Prozent mehr Ärzte ihre klinische Ausbildung als gebraucht wurden.Viele jüngere Mediziner verlassen deshalb Spanien und gehen in Länder wie Portugal, England oder die
Schweiz, in denen ein höherer Bedarf an Ärzten besteht.
Weitere Informationen im Internet:
http://www.msc.es/ (Gesundheitsministerium),
http://www.cgcom.org/ (Ärzteorganisation)

4 Kommentare:

  1. Diese Woche habe ich erfahren, dass sich in den letzten Jahren hinsichtlich des Verantwortungsbereiches der Ärzte etwas geändert hat, da der Bereich der staatlich unterstützten ambulanten Versorgung außerhalb des Krankenhauses so gut wie weggebrochen ist und der Hausarzt nun direkt zu den Spezialisten im Krankanhaus überweißt. Durch die mangelde Ausbildung der älteren Hausärzte, hinsichtlich welcher Facharzt für welche Krankheiten zuständig ist (da sich dort auch- besonders in der Allgemeinchirurgie- etwas geändert hat) und der "Verbürokratisierung des Sytemes" (Organisation findet zentral über ein kompliziertes Computersystem- zumindest hier in dem Krankenhaus- statt)kommen sehr oft Patienten zu den falschen Sprechstunden, wodurch Zeit der Patienten und der Fachärzte verschwendet wird und wichtige Termine dadurch nicht wahrgenommen werden können bzw. sich zeitlich verschieben.
    Also herrscht auch hier Unzufriedenheit hinsichtlich des Systems...

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  2. Danke für deine Information!
    Nos a ayudado para elaborar un Referat sobre el sistema sanitario español a dos estudiantes españolas de Sportwissenschaft de erasmus en Berlin.

    saludos,

    Lara

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  3. Wie schön! Das freut mich sehr :-)! GLG, Verena

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  4. Vielen Dank für die Informationen! Mir waren sie auch behifilch bei der Anfertigung einer Übersetzung von einer spanischen ärztlichen Bescheinigung ins Deutsche!

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